Zur Geschichte der Familie Bensheim
Berthold Rosenthal

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Zur Geschichte der Familie Bensheim

Vorbemerkung: Die ohne besondere Quellenangabe angeführten Tatsachen sind den Mannheimer Stadtrats-Protokollen entnommen. Die Abkürzungen bedeuten: FB=Familienbücher der Isreal. Gemeinde Mannheim; GLA=Bad. Generallandesarchiv Karlsruhe; JGB, JTB u. JVB = Geburts-Toten-u. Verehelichungsbücher der Jsrealiten in Mannheim; JV=Judenschaftsverzeichnis; KP=Kauf-Protokolle der Stadt Mannhein; MB=Memorbuch der Jsr. Gemeinde Mannheim; RP=Rats-Protokolle; StA=Städt. Archiv Mannhelm.

Die Familie Bensheim gehört zu den wenigen, die sich seit dem Wiederaufbau der Kurpfalz nach den Verwüstungen durch den 30 Jährigen Krieg ununterbrochen in Mannheim nachweisen lässt und im 18. u. 19. Jahrhundert eine der verzweigtesten dieser Stadt war.

Feld 1-3: Der Ahnherr hiess Joseph (Feld 1) und lebte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts höchstwahrscheinlich in Bensheim a.B. Sein Namen ist im MB (11a, 26) nach jüdischen Brauch dem seines Sohnes Hayum als Geschlechtsnamen beigefügt. Eben dieser Sohn (Feld 3) übersiedelte von dort mit seiner Gemahlin Reizche = ahd. Richeza (Feld 2) nach Mannheim über, wo ihm nach seinem Her-Kunft Sorte der Unterscheidungsnamen Bensheim beigelegt wurde. Er wird schon 1663 in den RP erwähnt. Hayum war Vieh-, Pferdehändler und Metzger. Im Jahre 1665 waren in der jungen Mannheimer Judengemeinde ernste Misshelligkeiten entstanden. In einer Gemeindeversammlung waren die Vorsteher ab und andere eingesetzt worden, hierunter Portugiesen, was gegen die Judenschaftskonzession von 1661 verstiess. Hayum Bensheim gehörte zu denen, die gegen diese Eigenmächtigkeit Einspruch erhoben. Der Stadtrat stellte sich auf ihre Seite. Nach eingehenden Verhandlungen kam eine Einigung zustande (RP 15. VI. 1665). Kurz vor Ausbruch der Pest in Mannheim (1666) kaufte Hayum das Haus des Juden Mayer für 105 fl. Im Januar 1672 (an einem Freitagabend) brach bei Hayum ein Brand aus, der zwar keinen sonderlichen Schaden verursachte, aber bei der Nachbarschaft grossen Schreck hervorrief. Hayum musste 2 fl. Strafe zahlen. 1676 kaufte er ein anderes Haus im 40. Quadrat (E2) in der Drappiergasse, die zwischen den E und F Quadraten zum Ring zieht. 1683 erwarb er ein drittes Haus, ebenfalls in der Drappiergasse, vom Judenmetzger Sussmann für 280 fl (KP. 5. I. 1683), das wohl für einen seiner Söhne bestimmt war. In der Grundzinsreohnung von 1683 (GLA: Mh. 973) ist Hayum als Hausbesitzer im 40. Quadrat erwähnt. Zur Kontribution von 1680 trug er 30 fl. bei (StA. XV 10 ). Er zählte damals zu den vermögendsten Mannheimer Juden. Gemeinsam mit untern Metzgern lieferte Hayum 1681 für den kurfürstlichen Hofhalt ausser Landes eine Anzahl Ochsen, wofür ihnen ein Vorschuss von 1200 fl. ausbezahlt wurde. Zur Sicherheit der kurfürstlichen Rechenkammer verpfändeten sie solidarisch ihr Vermögen (RP 1. III. 1681). Die übrigen sich auf Hayum beziehenden Einträge in den RP betraffen meist Vorfälle aus dem Geschäftsleben. Der letzte ist aus dem Jahre 1686. Das Todesjahr Hayums und seiner Ehefrau ist im MB (11a, 26) nicht angegeben. Vermutlich hat er die Zerstörung der Stadt (1689) noch miterlebt und ist wahrscheinlich 1692 in der Fremde gestorben. Am 3. Juli jenes Jahres erlegte sein Sohn Low dem Stadtrat 100 fl., die Hayum wegen seines Sohnes Nahum Hausbau schon vor dem Ruin der Stadt schuldig geworden war. Löw wurde gestattet, nicht nur für diesen Betrag, sondern auch für das was er wegen der Hinterlassenschaft seines Vaters für dessen Erben noch auslegen wird, den vom Vater herrührenden Hausplatz in der Speyergasse als Unterpfand anzusehen.
Feld 4-5: Hayum hatte vier Söhne: Simon, Low, Nahum und Mayer. Im JV v. 1722 gibt Simon (Feld 5) ein Alter von 58 Jahren an. Er wäre demnach 1664 geboren. Wie aber noch auszuführen sein wird, ist diese Angabe ungenau und Simons Geburtsjahr auf 1662 zu verlegen. Er wäre demnach noch in Bensheim zur Welt gekommen. Am 30. V. 1683 zeigte Hayum den Mannheimer Stadtrat die Verheiratung seines Sohnes Simon mit Zerline = Sara (Feld 4), der Tochter des Moses Oppenheimer, vermutlich in Ladenburg, an. (Im MB ist sie als Tochter des Moses Levi angegeben, was aber wohl ein Irrtum sein dürfte. Im JV von 1722 erklärt Simon, seit 39 Jahren das Mannheimer Schutzbürgerrecht zu besitzen, was genau mit dem Jahre der Verheiratung übereinstimmt. Simon war Metzger, und fast alle seine männlichen Nachkommen oblagen diesem Gewerbe. 1684 liess er durch zwei Friedrichsfelder Maurermeister neben dem "güldenen Herz" auf dem Sand (heute Planken) ein den Vorschriften der Judenschaftskonzession entsprechendes Haus bauen und deponierte zu diesem Zwecke bei dem Rat 100 Rtlr. Fünf Jahre später wurde es durch die Franzosen in Trümmer gelegt. Simon flüchtete mit seiner Familie nach Lindenfels, wo er sich bis 1698 aufhielt. (StA., XV 11). Am 7. Mai 1698 kaufte er in der Vordergasse in "Neu-Mannheim", der auf der linken Neckarseite während der Zerstörung entstandenen Barackenstadt, ein halbes Häuslein für 50 fl., wo er für seine Familie einen notdürftigen Unterschlupf fand und sein Gewerbe wieder aufnehmen konnte (KP). Die RP von 9. VII. I700 verzeichnen, dass er mit 1/2 fl. Strafe belegt wurde, weil er tags zuvor am Feste "Mariä Geburt" Fleisch zum Verkauf ausgehängt hatte. Ob er sein Haus auf dem Sand wieder aufbaute, wird nicht berichtet. Am 6. X. 1702 (KP) kaufte Simon vom Rats verwandten Joh. Phil. Fuchs den neben dem seinen gelegenen Hausplatz, auf den vormals der "güldene Ring" gestanden hatte, in der Wormsergasse (F. 3 1 1/2) für 150 fl., verkaufte aber sofort einen Teil davon an Josef Spielmann für 24 fl. Am 7. IX. 1703 sollte sich Simon erlklären, ob er seinen alten Hausplatz berbauer will, da sich ein anderer Liebhaber hierzu bereit erklärt habe. Acht Tage später vereinbarte der Stadtrat, "da die Stadt Geld braucht", mit Simon, dass dieser Platz, obwohl an der vorschriftsmässigen Breite etwa 6 Schuh fehlen, für seinen Sohn Moses als konzessionsmässig passieren soll. Jedoch müsse Simon der Stadt auf Martini zur Ergötzlichkeit 90 fl. bezahlen, die am 10. XI. 1705 auch als abgführt verbucht wurden. Am 18. IX. 1703 verkauften Simon und Frau Zerle diesen Platz anderweitig. Er selbst bewohnte nebenan ein Haus in der Drappiergasse. Dieses überliess er am 27. VI. 1731 (KP) seiner Tochter Behle und deren Ehemann Jakob Seligmann aus Rheingönheim gegen Uebernahme einer darauf lastenden Hypothekenschuld von 500 fl. Die Eltern behielten sich den Unterstock und eine Bodenkammer zur lebenslänglichen, unentgeltlichen Nutzniessung vor. Nach dem JV v. 1722 hatte Simon 8 Kinder. ob die damals schon verheiratet gewesenen drei Söhne in dieser Zahl auch inbegriffen sind, ist nicht ersichtlich. Ueber seine Geschäftstätigkeit geben mehrfache Aufzeichnungen in den RP Auskunft. Sie berichten von Forderungen und geschäftlichen Unstiminigkeiten, die teils von ihm, teils gegen ihn anhängig gemacht wurden. Meistens handelt es sich um Vorfälle aus dem Metzger-und Viehhändlerberuf. Bald sind es Metzger, bald Bauern, bald Gerber, mit denen Rechtsstreite auszutragen waren. Simons Vermögenslage scheint nie günstig gewesen zu sein. 1711 wurde ihm ein vierjähriges Moratorium bewilligt. Um seinen Verpflichtungen besser nachkommen zu können, lieh er 1717 von Abraham Moses (dem Bruder des Klausgründers) 600 fl.; für die er Häute zu liefern versprach und sein Haus verpfändete. Am 24. XI. 1718 war die Schuld beglichen. Im folgenden Jahre musste er wieder um ein Moratorium nachsuchen, was in jener Zeit nichts Ungewöhnlichen war. 1719 trug er zu der der Stadt auferlegten Kopfsteuer 1 fl. bei (St.A. XV 1O). 1720 drohte ihm das Hofgericht mit der Hausversteigerung. In den folgenden Jahren wurde ihm Mehrfach Execution eingelegt, das heisst, es wurden ihm bis zu erfolgter Zahlung einer gegen ihn geltend gemachten berechtigten Forderung ein oder mehrere Stadtknechte ins Haus geschickt, die er auf seine Kosten zu verpflegen hatte. 1728 baten Simon und seine Frau ohne Erfolg die Regierung um Befreiung von allen herrschaftlichen Abgaben. Im gleichen Jahre war Simon Hayum mite einem Schatzungskapital von 50 fl. für sein Haus und für 150 fl. für seine Nahrung (Gewerbe) veranschlagt (GLA: Mh. 1044) . 1732 wurde ihm Wachtfreiheit bewilligt (er hatt damals das 70. Lebensjahr zurückgelegt) und zwei Jahre später das Gesuch um Abgabenbefreiung unter Androhung der Ausweisung wieder abgelehnt. 1742 wird Simon als über 80 Jahre alt bezeichnet. Demnach scheint das im JV. v. 1722 angegebene Alter unrichtig zu sein. Der letzte, ihn betreffende Eintrag in die RP (4. IV. 1743) berichtet, dass Simon der Egefrau des Salimon Götz eine silberne Tabaksdose und ein Paar silberne Schuhschnallen im Werte von 2 Louisdors zum Verkaufen überlassen und ihr für ihre Mühe 1/2 fl. versprochen habe. Die Vermittlerin hätte aber weder das Geld noch die Gegenstände zurückgebracht. Sie gab an, sie hätte die Sachen einer Dritten zum Verkauf gegeben und diese sei damit durchgebrannt. Die erhielt 8 Tage Zeit zum Wiederbeischaffung. Für die 1744 beim Regierungsantritt des Kurfürsten Karl Theodor von der Mannheimer Judenschaft für die Erneuerung der Konzession zu leistenden 15 000 fl. blieb Simon Hayum "als ein alter 80jähriger Mann, so bei seine Kinder ist" frei (GLA: Mh. 1044). Simon starb an am 11. Jjar 5506 = Mai 1746 (MB 65b, 385); seine Frau war ihm am 24. Adar I = März 1742 (MB. 61b, 356) vorangegangen.

On the History of the Bensheim Family


Preliminary Note: The facts presented without specific source references are drawn from the Mannheim City Council protocols. The abbreviations stand for:

FB = Family books of the Israelite community of Mannheim

GLA = Baden State Archives Karlsruhe

JGB, JTB, and JVB = Birth, death, and marriage records of the Jews in Mannheim

JV = Jewish census/register

KP = Purchase records of the city of Mannheim

MB = Memorial book of the Israelite community of Mannheim

RP = Council protocols

StA = Municipal Archives Mannheim

The Bensheim family is among the few that can be traced continuously in Mannheim since the rebuilding of the Palatinate after the devastation of the Thirty Years’ War and, in the 18th and 19th centuries, was one of the city’s most extended Jewish families.

Fields 1–3:
The progenitor was named Joseph (Field 1) and lived in the first half of the 17th century, most likely in Bensheim am Bergstrasse. According to Jewish tradition, his name is attached to his son Hayum's name as a family name in the MB (11a, 26). This son (Field 3), along with his wife Reizche (Old High German: Richeza, Field 2), moved from there to Mannheim, where he was given the distinguishing name “Bensheim” based on his origin. He is already mentioned in the RP in 1663. Hayum was a cattle and horse trader and a butcher.

In 1665, serious disputes arose within the young Jewish community of Mannheim. The community leaders were replaced—some by Portuguese Jews—which violated the 1661 Jewish charter. Hayum Bensheim was among those who objected to this overreach. The city council took their side, and after lengthy negotiations, a settlement was reached (RP, June 15, 1665).

Just before the plague broke out in Mannheim (1666), Hayum bought the house of the Jew Mayer for 105 florins. In January 1672, a fire broke out at Hayum’s home on a Friday evening. Though it caused little damage, it caused much alarm among the neighbors, and Hayum had to pay a 2-florin fine. In 1676, he bought another house in the 40th block (E2) on Drappiergasse. In 1683, he acquired a third house, also on Drappiergasse, from the Jewish butcher Sussmann for 280 florins, probably intended for one of his sons. The 1683 land tax register (GLA: Mh. 973) lists him as a homeowner in the 40th block. He contributed 30 florins to the 1680 tax (StA XV 10) and was among the wealthiest Jews in Mannheim at the time.

In 1681, along with other butchers, he delivered cattle to the Electoral Palatinate court, for which they received an advance of 1,200 florins. As collateral, they jointly pledged their assets to the Electoral Chamber (RP, March 1, 1681). Other RP entries referring to Hayum usually concern business matters. The last entry dates from 1686. His and his wife’s death dates are not given in MB (11a, 26). He likely witnessed the city’s destruction in 1689 and died in exile, probably in 1692.

On July 3 of that year, his son Löw paid 100 florins to the city council—a debt Hayum had incurred before the city’s destruction to finance his son Nahum’s house. Löw was allowed to consider the lot in the Speyer alley that once belonged to his father as security, not just for this debt but also for any future expenses he would incur on behalf of his father's estate.

Fields 4–5:
Hayum had four sons: Simon, Löw, Nahum, and Mayer. In the 1722 JV, Simon (Field 5) stated he was 58, implying a birth year of 1664. However, this is likely inaccurate; his birth year is better placed in 1662, suggesting he was born in Bensheim. On May 30, 1683, Hayum informed the Mannheim city council of Simon’s marriage to Zerline (Sara, Field 4), daughter of Moses Oppenheimer—likely from Ladenburg (though MB lists her father as Moses Levi, likely a mistake). In the 1722 JV, Simon claimed he had held Mannheim citizenship for 39 years, consistent with his 1683 marriage year.

Simon was a butcher, as were nearly all his male descendants. In 1684, he had a house built next to the "Golden Heart" on the Sand (now Planken), conforming to Jewish community regulations, and deposited 100 Reichstaler with the council. Five years later, the house was destroyed by the French. Simon fled with his family to Lindenfels, staying there until 1698 (StA XV 11). On May 7, 1698, he bought a half-house in Vordergasse in “New Mannheim” (a shantytown on the left bank of the Neckar after the city's destruction) for 50 florins, allowing him to resume his trade.

On July 9, 1700, the RP recorded that he was fined ½ florin for displaying meat for sale on the feast of the Nativity of Mary. It’s unclear whether he rebuilt his original house. On October 6, 1702 (KP), Simon purchased a neighboring lot in Wormsergasse from Johann Philipp Fuchs for 150 florins but immediately sold part of it for 24 florins. On September 7, 1703, he was asked whether he wanted to rebuild his former home since another interested party had emerged. Eight days later, the council agreed that, despite the lot being 6 feet narrower than prescribed, Simon could secure it for his son Moses under the terms of the Jewish charter—if he paid the city 90 florins for pleasure, which was recorded as paid on November 10, 1705. On September 18, 1703, Simon and Zerline sold the lot. Simon continued to live next door on Drappiergasse.

On June 27, 1731 (KP), he transferred this house to his daughter Behle and her husband Jakob Seligmann from Rheingönheim, on the condition they assume a 500-florin mortgage. Simon and his wife retained the lower floor and an attic room for lifetime use without rent.

According to the 1722 JV, Simon had 8 children. It’s unclear if his already-married three sons were included in this count. RP entries provide information about his business dealings—mostly butchery and livestock trade. His financial situation appears precarious:

1711: Granted a 4-year debt moratorium

1717: Borrowed 600 fl. from Abraham Moses (brother of the Klaus founder), pledging hides and his house

1718: Debt repaid

1719: Sought another moratorium (not unusual at the time)

1719: Paid 1 fl. head tax (StA XV 10)

1720: Faced house auction by court

Subsequent years: Repeated debt enforcement, including house visits by city officers

1728: Simon and wife’s petition for tax exemption was denied

1732: Granted exemption from guard duty (aged over 70), but tax exemption request was again denied with threat of expulsion

1742: Described as over 80, casting doubt on the age given in the 1722 JV

The last RP entry about him (April 4, 1743) reports he gave Salimon Götz’s wife a silver tobacco tin and buckles worth two Louis d’or to sell, promising her ½ fl. for her efforts. She neither returned the items nor the proceeds, claiming to have passed them to a third party who absconded. She was given 8 days to recover them.

In 1744, when Mannheim’s Jewish community was required to pay 15,000 fl. for the renewal of their charter upon the accession of Elector Karl Theodor, Simon Hayum was exempted “as an old man of 80 living with his children” (GLA: Mh. 1044).
Simon died on 11 Iyar 5506 = May 1746 (MB 65b, 385); his wife had predeceased him on 24 Adar I = March 1742 (MB 61b, 356).